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Süßstoffe: Nutzen und Risiken
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Süßstoffe: Nutzen und Risiken

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Ernährung Gesundheitspolitik

In der Europäischen Union (EU) sind aktuell elf verschiedene Süßstoffe für den menschlichen Verzehr zugelassen. Von Verbrauchern werden sie entweder bewusst, z. B. als Streusüße, oder aber unbewusst in verarbeiteten Lebensmitteln verzehrt. Zweifel an ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit bestehen schon lange. Aktuell finden durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Neubewertungen der Süßstoffe im Hinblick auf die Gesundheit statt.

Süßstoffe sind synthetisch hergestellte Verbindungen, die nahezu kalorienfrei sind und einen sehr intensiven, süßen Geschmack haben. Sie werden vor allem in diätetischen bzw. kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken eingesetzt. Ihre Darreichungsform und ihre Einsatzbereiche sind sehr vielfältig: erhältlich sind sie als Streu- oder Flüssigsüße und in Form von Tabletten. Sie sind zudem oft in industriell verarbeiteten Produkten enthalten, z. B. in (nichtalkoholischen) Getränken, Süßwaren, Obstkonserven, süßsauren Konserven, Senf, Soßen oder auch in Arzneimitteln (z. B. Hustenbonbons) sowie in Kosmetika (z. B. Zahnpasten). Süßstoffe sind folglich sehr präsent.

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Geschichte der Süßstoffe reicht zurück bis ins Jahr 1878, als Constantin Fahlberg in den USA bei Experimenten zufälligerweise den ersten synthetischen Süßstoff Saccharin entdeckte. Er sah darin die Gelegenheit, den extrem süßen Geschmack als preisgünstige Zuckeralternative zu vermarkten, sah sich aber mit verschiedenen Hürden konfrontiert. Hierzu gehörten u. a. die zwei Weltkriege, Steuergesetze und andere wirtschaftliche Interessengruppen, z. B. die Zuckerindustrie. Diese Umstände führten zu einer Unbeständigkeit der Präsenz von Süßstoffen am Markt. Dennoch wurden mit der Zeit immer mehr Süßstoffe zugelassen. Fast gleichzeitig wurden gesundheitliche Bedenken geäußert, die mit Süßstoffen assoziiert werden – auch von der Zuckerindustrie.

Nicht immer ist es Verbrauchern klar, dass sie einen Süßstoff zu sich nehmen, etwa wenn dieser mit einer E-Nummer abgekürzt ist.

Zu den möglichen Gesundheitsrisiken des Süßstoffkonsums zählen unter anderem die Erhöhung des Krebsrisikos, die Auswirkungen auf das Darmmikrobiom, die Begünstigung einer Diabetes oder kardiovaskulärer Erkrankungen, die Häufung von Heißhungerattacken und Gewichtszunahme sowie die Erhöhung des Schlaganfall- und Demenzrisikos.

Unterschied zwischen Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen
Exkurs

Exkurs: Unterschied zwischen Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen

Neben den Süßstoffen gibt es eine weitere Gruppe von nicht-zuckerhaltigen Süßungsmitteln, die sog. Zuckeraustauschstoffe (Polyole). Polyole entstehen im Gegensatz zu Süßstoffen natürlicherweise als Abbauprodukt von Kohlenhydraten z. B. in Obst. Sie haben eine kristalline Struktur und werden u. a. in zuckerfreien Bonbons und Kaugummis eingesetzt. Beispiele für Polyole sind Sorbit und Xylit. Polyole stehen – auch wegen ihrer Herkunft – weniger stark in der Kritik. Bei übermäßigem Verzehr wirken sie abführend.

Süßstoffe in der Europäischen Union (EU)

Um in der EU zugelassen zu werden, müssen Süßstoffe (anders als Lebensmittel) ein Zulassungsverfahren durchlaufen, indem u. a. die gesundheitliche Unbedenklichkeit und die technologischen Eigenschaften untersucht werden. Im Zuge der Zulassung erfolgen Höchstmengenbeschränkungen und -vorschriften. Wie hoch die täglich akzeptable Zufuhrmenge im Sinne einer Höchstmenge ausfällt, ist für jeden Süßstoff anders und wird durch den sogenannten ADI-Wert (engl. Accepable daily intake) festgelegt. Der ADI gibt wieder, welche Süßstoffmenge pro Kilogramm Körpergewicht für Menschen nach dem aktuellen Kenntnisstand gesundheitlich unbedenklich ist.

Zudem gibt es eine Kennzeichnungspflicht. Für den Verbraucher ist es trotzdem oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob und welcher Süßstoff in einem Produkt enthalten ist: hierzu sind Kenntnisse zu Namen und Abkürzungen (E-Nummern) erforderlich.

Unter den elf zugelassenen Süßstoffen werden

  • drei aus Pflanzen gewonnen: Neohesperidin DC (E 959), Stevioglycosid (E 960) und Thaumatin (E 957)
  • vier sind auf Aminosäurebasis: Advantam (E 969), Aspartam (E 951), Aspartam-Acesulfam (E 962) und Neotam (E 961) und
  • vier sind vollsynthetisch: Acesulfam-K (E 950), Cyclamat, (E 952) Saccharin (E 954) und Sucralose (E 955).
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Regelmäßiger Süßstoffkonsum und Folgen für die Gesundheit

Im Zusammenhang mit dem Süßstoffkonsum wird positiv hervorgehoben, dass die Substanzen praktisch kalorienfrei sind und für ihre Verstoffwechselung kein Insulin benötigt wird. Insulin ist ein Hormon, das von der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und die Aufgabe hat, bestimmte Körperzellen wie Muskelzellen mit Zucker in Form von Glucose zu versorgen. Aus diesem Grund werden Süßstoffe von Verbrauchern nicht selten mit dem Ziel der Gewichtsreduktion und der Prävention von Diabetes mellitus Typ II sowie Herz-Kreislauferkrankungen konsumiert. Hiervon rät die WHO in ihrem Positionspapier (Mai 2023) nun ab, weist aber parallel darauf hin, dass die Empfehlungen nicht für Menschen mit einer bestehenden Diabeteserkrankung gelten. Vorausgegangen ist die Auswertung von Forschungsergebnissen aus mehreren Jahrzehnten zu dieser Fragestellung.

Die WHO kommt zu dem Ergebnis, dass Süßstoffe weder einen Nutzen für die Gewichtsreduktion haben noch das Risiko für nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ II vermindern – möglicherweise ist sogar das Gegenteil der Fall.

Neuere Studiendaten liefern laut der WHO Hinweise darauf, dass der regelmäßige Süßstoffkonsum die Blutzuckerregulation (Glukosetoleranz) stört. Dadurch könnten Süßstoffe sogar einen Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht und Diabetes mellitus Typ II darstellen. Über den Einfluss auf das intestinale Mikrobiom und andere Körperstrukturen bzw. die Entstehung bestimmter Erkrankungen formuliert die WHO in dem vorliegenden Positionspapier keine Einschätzung und Empfehlungen – sie dürften aber noch folgen.

Studiensituation zur krebserregenden Wirkung von Aspartam

Zum Süßstoffkonsum in Verbindung mit seinen gesundheitlichen Auswirkungen gibt es zahlreiche Studien und Daten. Sie sind teilweise sehr kontrovers. Der künstlich intensive, kalorienarme Süßstoff Aspartam steht seit Langem im Verdacht, zu den Risikofaktoren für Krebsentstehungen zu zählen. Als einer der gängigsten und beliebtesten Süßstoffe soll dieser kurz vorgestellt werden. Seine Süßkraft ist in etwa 200-mal so stark wie die des üblichen Haushaltszuckers. Zusammen mit seinen Abbauprodukten ist Aspartam schon seit 30 Jahren Gegenstand vieler Untersuchungen, Forschungen und Studien. Während z. B. eine Forschergruppe in einer erst kürzlich erschienenen, großangelegten Beobachtungsstudie mit überwiegend weiblichen Teilnehmern Aspartam als Risikofaktor für Brustkrebs einstufte, fanden andere Forschungsgruppen in Studien keine manifesten Beweise dafür. Die unübersichtliche Situation führt auch dazu, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2023) die Studienlage über die gesundheitlichen Risiken als weiterhin unzureichend einstuft.

Das sieht die WHO inzwischen anders: Seit Juli 2023 stuft sie den Süßstoff Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ ein. Nun obliegt es der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und dem BfR, auf diese Einstufung zur reagieren.

Hingegen betont das National Cancer Institute, dass Beobachtungsstudien am Menschen immer kritisch zu hinterfragen seien, da Korrelationen nicht zwangsläufig mit Kausalität gleichzusetzen seien.

Fazit

Gegenwärtig sorgt die Situation für Verwirrung im Umgang mit Süßstoffen – für Verbraucher, Fachkräfte und Lebensmittelindustrie. Daher sollten die Behörden auf europäischer und nationaler Ebene möglichst schnell eine verbindliche Empfehlung zum Umgang mit Süßstoffen aussprechen und ggf. den rechtlichen Rahmen anpassen.

Die Quellen und Studien zu diesem Artikel können bei Natur und Medizin angefordert werden.

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Dr. rer. medic. Nadine Berling-Aumann
Dr. rer. medic. Nadine Berling-Aumann

ist Ökotrophologin mit pharmazeutischer Vorausbildung und Promotion in theoretischer Medizin. Sie arbeitet als Sachbuchautorin zu Heilpflanzen und ernährungsmedizinischen Themen sowie als Ernährungstherapeutin in den Bereichen Magen-Darmerkrankungen, Unverträglichkeiten und Allergien.

Weitere Informationen: www.berling-aumann.de

Lena Huber
Lena Huber

geboren 1998, hat nach ihrem Abitur ein halbjähriges Praktikum in einer Tierklinik absolviert und anschließend von 2019–2022 an der Uni Freiburg Germanistik studiert. Seit März 2022 studiert sie im B. Sc. Ernährungsmanagement an der APOLLON Hochschule.