Naturheilkunde
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Naturraum Wald: Ein Ort der Heilung?

Naturraum Wald: Ein Ort der Heilung?

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Mentale Gesundheit Naturheilkunde Achtsamkeit Stress

Felix Finkbeiner war neun Jahre alt, als er den ersten Baum pflanzte. In seiner Schule, der Munich International School, hatte er zuvor ein Referat gehalten, in dem er forderte, dass die Kinder und Jugendlichen der Welt in jedem ihrer Länder eine Million Bäume setzen sollen.

Zusammenfassung

Damit ist eine ganzheitliche Erfahrung des Waldes gemeint. Durch den Wald zu joggen ist nicht verkehrt, aber es hat weniger positive Effekte auf die Gesundheit als ein Spaziergang mit allen Sinnen: den weichen Waldboden unter den Füßen spüren, bewusst das flirrende Licht zwischen den Blattdächern wahrnehmen, die Gerüche auf sich wirken lassen.

Den Wald zu spüren führt schon nach wenigen Minuten zur Entspannung – der Parasympatikus dominiert nun das Nervensystem. In der Atmosphäre des Waldes finden sich unter anderem erhöhte Konzentrationen an Terpenen, die auch das menschliche Immunsystem anregen. Es produziert im Wald deutlich mehr natürliche Killerzellen als in einer städtischen Umgebung. In einer Studie japanischer Wissenschaftler führte bereits ein Tag im Wald zu einem Anstieg der natürlichen Killerzellen um fast 40 % – und diese Wirkung hielt eine Woche an.

Der Wald ist in unserer Entwicklungsgeschichte tief verankert. Schließlich waren wir 2,5 Mio. Jahre der Natur ausgesetzt, bevor wir seit einem knappen Jahrhundert nicht nur profitieren von den Segnungen der Zivilisation – Natur ist zur Kultur geworden und damit kam die Entfremdung. In den industriell fortgeschrittenen Ländern wird ein „Natur-Defizit-Syndrom“ konstatiert. Menschen, die in der Stadt leben, haben 20 % mehr Depressionen, 40 % mehr Angstsyndrome und doppelt so häufig Schizophrenie.

„Wir haben verstanden, dass wir nicht darauf vertrauen können, dass allein die Erwachsenen unsere Zukunft retten werden“, sagt der heute 26-Jährige, der sich wiederholt auf die Klimaschützerin Greta Thunberg bezogen hat. „Wir müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.“ Die Pflanzzahlen sind umstritten, doch die Organisation hat inzwischen viele Millionen Bäume gesetzt und Initiativen und Mitglieder in jedem dritten Land der Welt.

Während für die jüngere Generation der Wald ein wichtiger Faktor des Klimaschutzes ist, ist er für Ältere ein Symbol der Heilung: Eduardo Araujo zum Beispiel, spanischer Kinderfilmregisseur, der zur Zeit des Franco-Regimes im Exil lebte, hat sich eine Farm in der Dürre der Extremadura gekauft und sein Land begrünt. „Da sitze ich dann bei Sonnenaufgang auf der Erde“, sagt er, und sehe zu, wie das Grün wächst und die Wunden heilen.“ Und der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado, den seine Reportagen in schwere Depressionen trieben, forstet heute den Regenwald wieder auf, den seine Familie für die Rinderzucht rodete.

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Natur heilt – das steckt schon im Begriff Naturheilkunde, und die innere und die äußere Natur sind eng miteinander verwoben.

Das liegt daran, sagte der prominente Ameisenforscher und Pulitzer-Preisträger E. O. Wilson (1929 bis 2021), dass wir uns, bewusst oder unbewusst, in der Natur „zuhause“ fühlen. Schließlich waren wir 2,5 Millionen Jahre der Natur ausgesetzt, bevor wir seit einem knappen Jahrhundert nicht nur profitieren von den Segnungen der Zivilisation – sie hat unter anderen auch Bewegungslosigkeit durch Maschinisierung und Automatisierung zur Folge oder Übergewicht und chronische Krankheiten durch industrielle Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung. Schließlich hat sie uns eine virtuelle Realität gepaart mit künstlicher Intelligenz verschafft, die Echtes durch Surrogate ersetzt.

Natur ist zur Kultur geworden und damit kam die Entfremdung. Kein Wunder, dass es heute spezielle therapeutische Impulse gibt, um die Menschen wieder in Kontakt mit ihrem ursprünglichen Lebensraum zu bringen. Diese Initiativen kommen aus Japan und Südkorea, Ländern mit hoher Bevölkerungsdichte und weit fortgeschritten im Bereich Hochtechnologie. In den industriell fortgeschrittenen Ländern wird ein „Natur-Defizit-Syndrom“ konstatiert – mit schwindenden Sinneserfahrungen, Konzentrationsproblemen und psychischen Erkrankungen. Menschen, die in der Stadt leben, haben 20 Prozent mehr Depressionen, 40 Prozent mehr Angstsyndrome und doppelt so häufig Schizophrenie.

Das tut gut: Eintauchen in die besondere Waldatmosphäre.
Das tut gut: Eintauchen in die besondere Waldatmosphäre.

Shinrin-Yoku, das Eintauchen in die Waldatmosphäre, wird in Japan und Korea von Ärzten gegen diese Entfremdung empfohlen. Seit die positiven Effekte auch zunehmend durch Studien untermauert werden, erobert das sog. „Waldbaden“ auch die naturheilkundlich orientierte Medizin. Der Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Rostock bietet zum Beispiel einen wissenschaftlich fundierten Qualifikationskurs an. Die überwiegend in Asien erzielten Studienergebnisse sind durchwegs positiv:

Spaziergänge in ausgewiesenen Heilwäldern wirken positiv auf Bluthochdruck, Herz-Lungenfunktion und Entzündungsparameter. Stressbedingte Leiden werden gelindert, das Wohlbefinden verbessert sich – möglicherweise profitiert auch das Immunsystem.

Therapeutische Konzepte, wie man Shinrin-Yoku am besten gezielt umsetzt, stehen allerdings noch am Anfang.

In Kontakt treten – das Umarmen von Bäumen – war in den 70er Jahren ein belächeltes Ritual der ersten Umweltbewegung. Heute weiß man, dass die sinnlichen Erfahrungen im Wald das Entscheidende sind: der weiche Waldboden unter den Füßen, das flirrende Licht zwischen den Blattdächern, die Gerüche. In der Atmosphäre des Waldes finden sich unter anderem erhöhte Konzentrationen an Terpenen, das sind über 5000 verschiedene biogene Wirkstoffe, die Pflanzen zum Schutz vor Schädlingen und Krankheitserregern bilden. Diese Baum-Kommunikation, so zeigt eine Studie japanischer Wissenschaftler, regt auch das menschliche Immunsystem an: Es produziert im Wald deutlich mehr natürliche Killerzellen als in einer städtischen Umgebung. Bereits
ein Tag im Wald führte zu einem Anstieg der natürlichen Killerzellen um fast 40 Prozent – und diese Wirkung hielt eine Woche an.

Durch den Wald zu joggen ist nicht verkehrt, aber es hat weniger positive Effekte auf die Gesundheit als ein Spaziergang mit allen Sinnen. Den Wald zu spüren, mit den Händen zu berühren, ihn zu hören oder zu riechen, führt schon nach wenigen Minuten zur Entspannung – der Parasympatikus dominiert nun das Nervensystem. Atemübungen und Meditationen zählen deshalb zur Waldtherapie, wie sie in Japan geübt wird: Studien des prominentesten Befürworters, des Medizinprofessors Qing Li, zeigen, dass bei Spaziergängen in der Natur vermehrt das Hormon DHEA ausgeschüttet wird, eine Vorstufe des weiblichen Geschlechtshormones Östrogen und des männlichen Androgens – ein Antistresshormon. Es verlangsamt den Zellstoffwechsel und wirkt dem Stresshormon Kortisol entgegen. Außerdem hat es eine schützende Wirkung auf Nervenzellen, Blutgefäße und Herz und verringert das Risiko von Thrombosen und koronaren Herzkrankheiten.

Der Wald ist in unserer Entwicklungsgeschichte so tief verankert, dass selbst ein Foto des Waldes an der Wand oder eine Computersimulation positive Effekte auf den Körper hat. Aber keine Technik kann die Lebendigkeit ersetzen, die den Wald zu dem vielleicht wichtigsten Biodiversitätsreservoir unserer Erde macht. Diese Erkenntnis hat sich endlich durchgesetzt: Die Vielfalt der Natur ist die Basis für unsere Gesundheit.

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Dr. Andrea Flemmer

Andrea Flemmer ist promovierte Diplom-Biologin und Ernährungswissenschaftlerin. Nach der Promotion begann sie als kommunale Umweltschutzbeauftragte und hielt Vorlesungen rund um die Thematik „Einführung in Natur- und Umweltschutz“ an der Fachhochschule München. Im Februar 2023 erschien ihr 43. Buch: „Autoimmunerkrankungen – Das kann ich selbst tun“.

Dr. Anna Paul
Dr. rer. medic. Anna Paul

Leitung Ordnungstherapie, Mind-Body-Medizin, Arbeitsgruppe Prävention & Gesundheitsförderung, Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Evang. Kliniken Essen-Mitte. Dr. Anna Paul ist Vorstandsvorsitzende von Natur und Medizin e.V.